Digitalisierung des Handels

Bündnis Unternehmer für Unternehmer. Community, Co-Working, Coaching, Consulting, Co-Investoren. Digitalisierung des Handels.
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Multichannel. Crosschannel. Omnichannel. Seamless Shopping. Disruption. Oder, um es deutsch und verständlich auszudrücken: Es gibt zwei grosse Bewegungen im (deutschen) Handelsgeschäft: Die Datensammel- und -auswertungswut der Hersteller und Händler sowie ein stetig andauernder Konzentrationsprozess und die Digitalisierung des Handels

Die Digitalisierung des Handels zeigt sich in verschiedenen Geschäftsmodellen: Manche Händler betreiben ein Ladengeschäft und eröffnen zusätzlich einen Onlineshop, betreiben beides eigenständig nebenher, ohne dass ein Austausch untereinander stattfindet. Dieses Geschäftsmodell nennt man Multichannel und es ist der Urvater der anderen Modelle, der allerdings immer noch lebt.

Verknüpft der Händler beides miteinander, zum Beispiel dadurch, dass Kunden online bestellen und die Ware im Laden abholen, dann nennt man das Crosschannel und erleichtert dem Kunden den Informations- und Einkaufsprozess. Stellt der Händler dann auch noch seine anderen Leistungen, wie zum Beispiel Service, Beratung und Reparaturen online zur Verfügung, dann spricht man von Omnichannel. Und damit das dann auch ausreichend erfolgreich ist, gibt es zuvor jede Menge Marktforschungsinstrumente wie so genannte Preisausschreiben und nach der Wahl des Geschäftsmodells jede Menge Marketinginstrumente wie Direct Mailing, eMail-Kampagnen, Suchmaschinenwerbung, Affiliate Marketing, Geotargeting oder eben Social Media Marketing.

Soweit die Theorie. In Deutschland ist trotz des Verdrängungswettbewerbs der Handel als solcher satt, träge. Für 2015 wurde ein reales Wachstum von 2,8% gemeldet und ein Gesamtumsatz von 481,8 Milliarden Euro. Allerdings trügt diese Zahl auf den ersten Blick, denn Gewinner war nicht zum ersten Mal der Onlinehandel – dort alleine wurden 46,9 Milliarden Euro Umsatz im B2C, dem Endkundengeschäft gemacht. Und das, obwohl gerade in Deutschland eine Trägheit gerade bei den kleinen und mittleren Händlern in Sachen Techniknutzung und Offenheit registriert wird. Aber, und dieses Aber ist wichtig: Der Onlinemarkt wird schnell und unwiederbringlich einigen wenigen Grossunternehmen überlassen: Schon 2014 wurden 56% des Online-Gesamtumsatzes durch Marktplätze wie eBay und Amazon erwirtschaftet. Lediglich 25% wurden von den Multichannel-Händlern erwirtschaftet, welche zumeist der noch sichtbare Einzelhandel in den Städten ist.

Deutsche Omnichannel-Anbieter liegen im europäischen Vergleich eher im Mittelfeld – dies liegt zum einen an der noch immer grossen Preisfixierung der Deutschen und damit einem Vorteil der Discounter, der sich in Wenig-Umsatz der Omnichannel-Anbieter widerspiegelt und zum anderen in der Anbieterstruktur: Deutschland hat (noch) sehr viele inhaber- und eigentümergeführte Einzelhandelsgeschäfte, die eher konservativ über die Technikmöglichkeiten denken und diese dann doch eher nicht nutzen wollen. Und dies wird zum Teil des Gesamtproblems: Der deutsche Einzelhändler verschenkt Chancen und überlässt Grossunternehmen kampflos ganze Marktsegmente. Eine aktuelle Umfrage unter Online-Käufern zeigte deren Wünsche an den stationären Handel auf: Natürlich will die Mehrheit die gleichen (günstigen) Preise, wie im Internet (58%) – rational kann man diese Unmöglichkeit den Kunden nicht ausreden. Aber, und jetzt kommen wir zu den verpassten Chancen, 34% wünschen sich die Expertenberatung im Geschäft, 27% möchten gerne online bestellen und die Ware im Geschäft abholen, weitere 26% erwarten vor Ort eine grössere Auswahl, als online und nochmals 22% werden durch Reparatur- und Montageservice erfreut.

Mit anderen Worten: Eine entscheidende Masse von Einzelhändlern wäre gut beraten, würden Sie zumindest zum Crosschannel-Geschäftsmodell wechseln. Denn nur dann können Sie in der heutigen Zeit und der Zukunft auch bestehen. Weil die Gefahr von den Grossunternehmen, den mit fetten Venture Capital Paketen gefütterten StartUps droht und täglich, stündlich ein Stück vom Kuchen nach dem anderen sich einverleiben. Und das hat nicht nur betriebswirtschaftliche Auswirkungen auf den einzelnen Händler oder Hersteller, sondern führt zu ungesunden volkswirtschaftlichen Verhältnissen und zu sehr bedenklichen Arbeits-, Produktions- und Finanzverhältnissen.

Der Verbraucher schadet sich mittlerweile selber durch jeden Einkauf bei „den Grossen“ und er wacht einfach nicht auf. Die Digitalisierung schreitet voran und fordert Opfer. Einzelhändler können die Fixkosten nicht mehr aufbringen, Kauf- und Warenhäuser vegetieren vor sich hin, Ketten melden Insolvenz an, Shopping Malls rühmen sich als Erlebnis-Center und sind doch nichts mehr, als Kleinkram um einen Ankermieter herum, der seinerseits vermutlich ein Omnichannel-Geschäftsmodell pflegt. Doch was genau geschieht ausserhalb unserer Wahrnehmung, was geschieht unter der glitzernden, der ach so billigen und ach so verlockenden Oberfläche?

Dort geschieht viel mehr. Von Kapitalpaketen gepamperte Kunstunternehmen wie Zalando, CarGlass, Lieferando oder Wer-kauft-mein-Auto.de verleiben sich dank der unkritischen Verbraucher Märkte ein und diktieren wie im Lehrbuch Konditionen und bald auch die Preise – gerade durch die Digitalisierung des Handels und durch unkritische Verbraucher. Grossunternehmen wie Amazon genieren sich nicht, einen Arbeitskampf nach dem anderen über sich ergehen zu lassen – denn der Verbraucher wird eingehüllt in eine Wolke von Niedrigpreisen und Warensofortlieferung. Eine Kunstwelt wurde erschaffen, die Profite, aber keine Werte mehr erwirtschaftet. Wertschöpfung erfolgt für ganz wenige Einzelpersonen und im besten Fall für Banken und Venture Capital Gesellschaften. Der Verbraucher hinterfragt nicht mehr – weder die Produktionsbedingungen, noch die Arbeitsbedingungen.

Und Unternehmen wie Amazon saugen den Markt auf. Wer mithalten will als Anbieter auf Marktplätzen wie Amazon oder neuerdings Real, muss deren Bedingungen akzeptieren oder wird nicht mehr gesehen. Wer keine Kapitalkraft hat, um Google-Werbung und Rankingplätze zu kaufen, der wird nicht gefunden. Die Digitalisierung des Handels ist eine stille, heimliche Revolution.. Wir haben im Onlinehandel eine katastrophale Entwicklung durch die Digitalisierung, die den Verbraucher mittelfristig durch schlechte Qualität und langfristig durch anachronistische Lebens- und Arbeitsbedingungen abhängig werden lässt.

Gesamtgesellschaftlich gibt es nur eine Lösung: Eine Kooperation von kritischen Verbrauchern, Händlern mit Onichannel-Geschäftsmodellen, eine Prise New Work und eine Unternehmenskultur der Sinnmaximierung. Verbraucher müssen darüber aufgeklärt werden, dass ihre Kaufwahl immer eine Stimme für oder gegen Tierleid, für oder gegen Kinderarbeit, für oder gegen Umweltschäden, für oder gegen Werkverträge, für oder gegen Niedriglöhne ist. Und der stationäre Handel muss sich auf seine ureigensten Vorzüge konzentrieren und über Omnichannel-Geschäftsmodelle dem Verbraucher das geben, was er wünscht. Denn die Verbraucher-Masse bewegt sich langsam, aber beständig weg von der Geiz-ist-geil-Mentalität hin zu verantwortungsbewusstem Handeln. Zusammen mit den anderen Megatrends wie der Abkehr von der reinen Leistungsmaximierung, hin zu einer Sinnmaximierung in der Arbeitswelt und der Geschäftswelt, könnten wir gemeinsam Grossartiges schaffen. Nach der funktionierenden Technik und der umfassenden Digitalisierung des Handels steht der Mensch dann wieder im Mittelpunkt – und damit steht er auch im Handel der Zukunft wieder im Zentrum.

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